ET 27.04.2020, S. 33-35

Durch Einsatz einer neuen Prozesstechnik wird in bestehende Abläufe des Unternehmens eingegriffen. Wird dann zu eng oder falsch geplant, verhindert das in der operativen Umsetzung einen reibungslosen Materialfluss und kann die Sicherheit vor Ort gefährden. Wie kann hier vorgebeugt werden?

Produzierende Unternehmen stehen immer wieder vor der Herausforderung, Veränderungen in ihrer Produktionsumgebung vorzunehmen. Die Gründe dafür sind sehr vielfältig. So kann es den Einsatz einer neuen Prozesstechnik für ein neues Produkt betreffen oder die Erweiterung von Lagerflächen aufgrund erhöhter Nachfrage oder Nachfragerückgängen, sowie die Integration neuer Fördertechnik, um den intralogistischen Transport zu optimieren. In jedem Fall spielen Effizienz und Sicherheit eine maßgebliche Rolle, denn Raum und Platz sind teuer: Verschenkte Flächen kosten Geld und verhindern eine optimale Auslastung der Kapazitäten. Wird jedoch zu eng oder falsch geplant, verhindert das in der operativen Umsetzung einen reibungslosen Materialfluss und kann die Sicherheit vor Ort gefährden. Wie aber kann ein Unternehmen neue Prozessketten und Werksanlagen sicher integrieren und somit wachsen, ohne den laufenden Betrieb einzustellen, und wo liegen die Fallstricke?

Oft weniger Platz als gedacht

Bei der Planung und Integration neuer Prozesstechnik gibt es einige Faktoren, die die alten und neuen Strukturen stören können. Der bereits genannte Raum beziehungsweise Platzaspekt ist hierbei zentral. Natürlich ist das jedem Unternehmer bewusst, der seine Produktionsumgebung verändern möchte. Doch hilft der Wunsch nach einer schlanken und platzsparenden Produktionsumgebung nicht dabei, diese auch Wirklichkeit werden zu lassen. Noch immer kommt es oft vor, dass der Plan zwar eine optimale Nutzung der wertvollen und teuren Hallenflächen vorsieht, die reale Umsetzung am Ende jedoch wenig damit zu tun hat. Dabei ist es wichtig, Hallenfläche freizuhalten, da diese auch für die Logistik benötigt wird. Fallstrick Nummer eins ist hier die Hallenumgebung. In einer Produktionshalle wimmelt es von verschiedenen Produktionsanlagen, Förderanlagen und Fertigungsmaschinen. Zusätzlich sind Hallenstahlbauten und vorhandene Stahlbaubühnen und Schutznetzflächen, viele von der Decke abgehangen, vorhanden. Diese „Störkonturen“ müssen bei der Anlagenplanung bereits während der Konstruktionsphase berücksichtigt werden, damit die Anlage später reibungslos integriert werden kann.

Oft mehr Gewicht als einkalkuliert

Auch das Gewicht der Förderanlage ist oft eine Stolperfalle. Eine neue Anlage inklusive des benötigten Stahlbaus zum Befestigen sowie zum Herstellen der nötigen, begehbaren Unterschutzflächen müssen optimal geplant und der Stahlbauanteil so gering wie möglich gehalten werden. Das kommt daher, dass alle zum Einbau der Fördertechnik notwendigen Lasten in die vorhandene Hallenstahlbaustruktur eingeleitet werden und die maximale Gesamtlast begrenzt ist. Aus diesem Grund dürfen Anlagen bei der Planung niemals nur für Gewicht und Statik geprüft werden, es gilt immer alle relevanten und bestehenden Gewichte miteinzurechnen. Dies gilt insbesondere, wenn viel Hängefördertechnik zum Einsatz kommt. Ein weiterer Fallstrick ist die Integration der Anlage, denn sie raubt den laufenden Prozessen oft Zeit und verhindert, dass bestehende Materialflüsse ungestört nebenher weiterlaufen. Oft steht nur ein sehr kleines Zeitfenster zur Verfügung, in denen die Produktion ruht und die Anlagen eingebaut werden können. Läuft hier etwas schief oder braucht der Einbau länger, mindert dies sofort die Produktionsraten und es kommt zu finanziellen Einbußen. 

Förderanlage – Sicherheitsnormen und Anlagenbau

Ein sehr wichtiger Aspekt bei dem gesamten Prozess ist die Sicherheit. Diese stellt natürlich keinen Fallstrick dar, sondern hat höchste Priorität, damit Monteure und Personal nicht zu Schaden kommen. Zum einen gilt das für die Fördertechnik selbst. Die Erstellung der Gefährdungsbeurteilungen ist essenziell, um zu gewährleisten, dass ein reibungsloser und sicherer Betrieb der Maschine möglich ist. Zum anderen gilt es ebenso für die Montage der Förderanlage. Hier müssen alle Sicherheitsvorschriften und Regeln beachtet werden. Darüber hinaus gibt es unzählige Werksnormen und ­vorschriften, die bei jedem Unternehmen und jedem Werk anders sind und ebenfalls eingehalten werden müssen. Zum Schluss sei noch der Aspekt der Verfügbarkeit als Störfaktor genannt. Keine Förderanlage ist wie die andere. Das bedeutet für den Bau, neben den verwendeten Standardbauteilen, in der Regel die Notwendigkeit von individuellen Lösungen. Diese speziell konstruierten Maschinenteile müssen allerdings ebenfalls reibungslos und sicher funktionieren. Grundsätzlich gilt: Alle Anlagenkomponenten einer Förderanlage müssen für eine Verfügbarkeit der Gesamtanlage von mehr als 99 Prozent ausgelegt sein. Diese hohe Verfügbarkeit bildet bereits während des Engineerings die Basis für alle neu entwickelten Komponenten.

CAD allein ist nur die halbe Miete

Trotz der digitalen Transformation und Industrie 4.0 laufen in der Realität viele Vorhaben noch immer eher manuell ab. Das birgt auch bei der Zuhilfenahme von Techniken wie 3­D­Planung oder CAD Gefahren, von denen die größte das Planen auf der „grünen Wiese“ ist. Gemeint ist damit, dass in der Planungsphase nicht die gesamte Hallenumgebung im realen Zustand virtuell im CAD zur Verfügung steht. Dadurch kann es beim Engineering leicht zu Fehlern kommen. Beispielsweise werden Lüftungskanäle gar nicht oder nur mit grober Positionierung berücksichtigt, Stromleitungen nicht eingeplant oder bestehende Leitungen nicht bedacht. Gleiches gilt für Kabelkanäle, bereits vorhandene Stahlbauten, Maschinen, Rangierbereiche von Flurförderfahrzeugen und ähnliches. Dann kann es leicht passieren, dass die Anlage zur späteren Integration in die Produktionsumgebung vor Ort umständlich angepasst werden oder im Zweifelsfall die Hallenumgebung geändert werden muss. Beides bedeutet verlängerte Bauzeiten, ­kosten und mitunter Produktionsausfälle. Alles zusammen führt letztendlich zu Produktionsrückgängen, Lieferengpässen, unzufriedenen Kunden und somit insgesamt zu wirtschaftlichen Einbußen – zusätzlich zu den Investitionskosten der neuen Anlage. 

Genaue Planung mit Predictive Engineering

Wesentlich genauer verlaufen Planung und Umsetzung einer Förderanlage, wenn eine präzise Ortskenntnis der Umgebung vorliegt. Möglich wird dies durch den Einsatz eines 3­D­Scans der gesamten Halle im aktuellen Zustand. Mit diesen Aufnahmen lässt sich nicht nur die Anlage besser planen – dank der genauen Informationen über bereits verbaute Anlagen, Maschinenwege und gebäudetechnische Konstruktionen wird jeder Zentimeter bedacht und somit effizient genutzt. Doch eine Planung allein macht noch keine fertige und funktionale Anlage aus. Aus diesem Grund verbindet SEH im Predictive Engineering diese Maßnahme mit Computer­aided Design und Abgleich vor Ort über Virtual Reality und Augmented Reality, um die Ideen schon vor Baubeginn im Echtformat zu visualisieren. Bereits während der Konstruktion einer Maschine oder Förderanlage kann mithilfe dieser Technologie höchstes Augenmerk auf die Sicherheit gelegt werden. So werden Sicherheitsabstände, die sich aus den Vorgaben und Richtlinien des Maschinenbaus und den einschlägigen Arbeitssicherheitsanforderungen ergeben, schon in diesem Schritt genau geplant. Dabei sehen die Konstrukteure dank der Kombination aus geplanter Konstruktion und den realen Aufnahmen der Werkshalle sofort am Bildschirm, ob die Abstände stimmen und eingehalten werden. Gefahren, wie sie beispielweise bei Eng­ oder Quetschstellen auftreten können, erkennen die Konstrukteure hier schon frühzeitig und können die Planung entsprechend abändern, um diese Fallstricke im Bau auszuschließen. Gleiches gilt auch für besondere Gefahrenbereiche wie zum Beispiel Absturzstellen an Hubstationen. Auch diese können über Predictive Engineering bereits im Vorfeld untersucht und entsprechend sicher ausgeführt werden.

Sichere Umsetzung dank genauer Planung

Durch Augmented Reality wird die 3­D­Planung der CAD­Anlage auf den Monitor gebracht. Unternehmer können sich so in der Werkshalle bewegen und die geplante Anlage in ihrer zukünftigen Position auf dem Monitor sehen. Dabei hilft die freie Bewegung im Raum dabei, die gesamten Anlagen aus jedem Blickwinkel zu kontrollieren und alle Anforderungen an Platz und Wegen innerhalb der Halle durchzugehen. So werden mögliche Fallstricke live erkannt und können überarbeitet werden, bevor der erste Stahlpfeiler gesetzt wird. Auch während der Engineering­Phase hilft diese stetige Kontrolle dabei, Abweichungen frühzeitig zu bemerken und zu regulieren. Denn auch wenn eine Anlage genau geplant ist, können Veränderungen in der Bauphase mitunter zu Folgeproblemen führen. Hier unterstützt Clash Detection bei der Überwachung, sodass Fördertechnik und Stahlbau an keiner Stelle mit dem Baubestand kollidieren. Liegen Planung, Konstruktion und Montage in einer Hand, sind die Voraussetzungen optimal, um Sonderkonstruktionen zu entwickeln und umzusetzen. Schienen, Weichen, Bögen oder Heber sowie die Stahlkonstruktionen können so an individuelle Gegebenheiten angepasst, millimetergenau gefertigt und im laufenden Betrieb montiert werden. Letztlich dienen alle Maßnahmen dann auch dazu, eine CE­Konformität zu bestätigen, ohne nachträglich Maßnahmen vor Ort umsetzen zu müssen. 

Weitere Informationen unter www.seh­engineering.de

Holger Schmidt, Geschäftsführer des SEH­Standortes Ostrhauderfehn